Landtagsabgeordnete Ayla Cataltepe auf dem Podium
In der Nacht vom 2. auf den 3. August 2014 griffen Tausende Dschihadisten der Terrormiliz des Islamischen Staats (IS) die Dörfer und Städte im Shingal Gebirge im Nordirak an. Dort ist die Heimat der Glaubensgemeinschaft von Tausenden Êzîdinnen und Êzîden. Mehrere Tausend Êzîden wurden getötet und mehr als 6.500 êzîdische Frauen und Mädchen entführt, versklavt und vergewaltigt.
Die Êzîden, eine Jahrtausende alte Glaubensgemeinschaft, die den Frieden und die Gemeinschaft unter den Völkern bekräftigt, wurde vor acht Jahren von der Terrormiliz IS aufgrund ihres Glaubens verfolgt, mit dem Ziel, das êzîdische Volk auszulöschen. U.a. wurden auch Christen während des Angriffs auf die Region Shingal umgebracht, die friedlich mit den Êzîden lebten. Zehntausende Êzîdinnen und Êzîden flohen vor dem IS in die Berge, wo sie ohne Nahrung, Wasser und Unterkunft der Sommerhitze ausgesetzt waren.
Im Rahmen eines Sonderkontingents holte das Land Baden-Württemberg, als Vorbild für humanitäre Hilfe eines Bundeslandes, im Jahr 2015 über Tausend besonders schutzbedürftige Frauen, Mädchen und Kinder aus dem Nordirak nach Baden-Württemberg und Deutschland.
Anlässlich des 8. Jahrestags des Völkermordes an der êzîdischen Gemeinde fand am 3. August im Neuen Schloss in Stuttgart eine Gedenkfeier statt. Ausgerichtet wurde die Veranstaltung von den Organisationen „Farida Global Organization“ und „Nadia’s Initiative“, gegründet von Farida Khalaf bzw. Nadia Murad, beide êzîdische Frauen, die den Angriff auf ihr Volk durch den IS miterlebt haben. Sie wurden versklavt, haben das Brutalste erlebt und überlebt.
Eröffnungsansprachen hielten neben den Gastgeberinnen die Ministerin für Justiz und Migration des Landes Baden-Württemberg, Marion Gentges (CDU), Max Lucks als Mitglied des Deutschen Bundestags (GRÜNE) sowie Christian Ritscher, der Sonderberater und Leiter des Untersuchungsteams der Vereinten Nationen zur Förderung der Rechenschaftspflicht für vom IS begangene Verbrechen (UNITAD).
Dabei beriefen sich die Rednerinnen und Redner auf das Völkerrecht, das für jeden Menschen gelten müsse, und wie wichtig die Aufklärung über den Genozid sei. Dazu zähle auch, dass der Genozid bzw. der Völkermord an den Êzîden im Bundestag anerkannt werde.
Bei der anschließend stattfindenden Podiumsdiskussion betonte die Landtagsabgeordnete Ayla Cataltepe (GRÜNE): „Es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die Menschenrechte zu wahren und den Völkermord an den Êzîden im Irak weltweit auf der politischen Agenda zu halten. Wir müssen den Fokus auch in der Außenpolitik schärfen. Denn das, was über unsere Grenzen hinweg passiert, geht uns alle etwas an. Dazu zählen eine klare Sprache und Haltung in der außenpolitischen und internationalen Diplomatie. Der Schutz und die Wahrung des Völkerrechts und der Schutz und die Wahrung der Menschen und der Menschenrechte brauchen unser aller Aufmerksamkeit. Denn sie sind nicht verhandelbar!“
Zugleich hob Cataltepe hervor:
„Die Êzîdinnen und ihre Kinder, die seit 2015 in Deutschland leben, sind eine Bereicherung für unsere vielfältige Gesellschaft. Die damals angekommenen Frauen und Kinder haben Bildungswege eingeschlagen, studieren, machen Ausbildungen und gehen verschiedenen Berufen nach. Sie leben uns Mut, Hoffnung und Zuversicht vor. Gleichzeitig erfahren sie durch ihre Integration unsere demokratischen Strukturen. Mein innigster Wunsch ist daher, dass sich alle Menschen in unserer vielfältigen Gesellschaft und in unserer Demokratie mit Dankbarkeit einbringen. Denn das schärft und stärkt ihr Bewusstsein für Gerechtigkeit, Sicherheit, Frieden und Freiheit. Das wiederum stärkt den gesellschaftlichen Zusammenhalt und unsere Demokratie!“
Die aktuelle grün-schwarze Landesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag ein weiteres Sonderkontingent eingeplant, das in die Haushaltsberatungen eingebracht wurde. Eine Studie der Universität Tübingen bestätigt, dass das erste Sonderkontingent bei den aufgenommenen Êzîdinnen überaus positiv bewertet wird.
Wie die Abgeordnete Cataltepe auf dem Podium betonte, müsste aber auch die Infrastruktur vor Ort im Norden Iraks zusammen mit demokratischen Grundwerten wiederaufgebaut werden, um den Menschen eine Rückkehr in ihre Heimat zu ermöglichen. Noch immer leben viele Êzîdinnen und Êzîden in Flüchtlingscamps.